Kaum ist die 90-days-bill so gut wie vom Tisch (die Maori Partei hat angekündigt in dritter Lesung geschlossen gegen den Entwurf zu stimmen), geht’s schon wieder rund in der Gewerkschaftsbewegung. Der australische Supermarktbetreiber Progressive Enterprises (Woolworth, Foodtown, Countdown) hat 600 Arbeiterinnen und Arbeiter ausgesperrt. Vorausgegangen war ein kleiner, nur 48 Stunden andauernder Streik der Distributionsarbeiter. Progressive hat landesweit drei Verteilzentren und zwar in Auckland, Christchurch und Palmerston North. Früher gab es mal einen Tarifvertrag, doch die Geschäftsführung wollte die Gewerkschaft aus ihrem Unternehmen heraus haben und schloss kurzerhand die Zentren in Auckland und Christchurch, um sie an anderer Stelle wieder zu eröffnen und die zuvor entlassenen Mitarbeiter zu schlechteren Konditionen wieder einzustellen. Am Standort Palmerston North ist ihnen das nicht gelungen, da keine Räumlichkeiten zur Verfügung standen. Die Jungs und Mädels in Auckland und Christchurch verdienen nun also gerade mal den Mindeslohn, während die Kolleginnen und Kollegen in Palmerston North zwar immer noch extrem wenig, jedoch über dem Mindestlohn verdienen und nach 20-jähriger Betriebszugehörigkeit auch Anspruch auf eine zusätzliche Woche Urlaub pro Jahr haben (derzeit vier Wochen statt der gesetzlich vorgeschriebenen drei, was sich aber im April nächsten Jahres ändern wird, wenn der gesetzliche Mindesturlaub auf vier Wochen angehoben wird). Das ist nicht gerecht und da jedem neuseeländischen Gewerschaftsmitglied in einem Unternehmen mit noch mindestens einem weiteren Gewerkschaftsmitglied das Recht auf einen Tarifvertrag zusteht, sind die zuständigen Gewerkschaften NDU und EPMU mit Progressive Enterprises in Verhandlungen getreten. Da man sich nicht einigen konnte, sind die Arbeiter in einen 48-stündigen Streik getreten und fanden sich danach ausgesperrt vor. Momentan besteht das Angebot, dass sie gern an ihren Arbeitsplatz zurück kehren können, sonfern sie ihre Gewerkschaftsmitgliedschaft aufgeben, auf den Tarifvertrag verzichten und sich mit dem Mindestlohn von 10,25 Dollar (= etwa 5 Euro) zufrieden geben. Das ist schlichtweg Erpressung und Verletzung von Grundrechten und erpressen lassen möchte sich eigentlich niemand. Also bleiben sie vor den Toren des Unternehmens, allerdigs unbezahlt. Im Rahmen einer Arbeitsrechtskonferenz in der letzten Woche haben wir Gewerkschaften die Chance bekommen, einige der Arbeiter und deren Partnerinnen kennen zu lernen. Ich war sehr beeindruckt davon, wie tapfer, stolz und stark diese Menschen auf ihre Rechte beharren. Leider erhalten sie im Moment kein Gehalt, was einige schon zum Aufgeben gezwungen hat – 26 junge Männer haben am Freitag ihre Arbeit wieder aufgenommen und auf ihre Rechte verzichtet. Menschen, die knapp über dem Mindestlohn verdienen, haben nunmal keine fetten Sparkonten, von denen sie sich bedienen können. Teile der neuseeländischen Bevölkerung unterstützen die betroffenen Familien stark finanziell; es gibt Straßensammlungen, man kann telefonisch spenden (beim Anruf unter 0900-LOCKOUT werden automatisch 20 Dollar auf der nächsten Telefonrechnung belastet) oder auch direkt auf ein Sonderkonto bei der BNZ einzahlen. Es ist sehr wichtig, dass der Kampf gegen diesen Multimilliondollar-Riesen (1,2 Milliarden Dollar Gewinn im letzten Jahr, der CEO bekommt jährlich 8,5 Millionen Dollar, was pro Tag wesentlich mehr ist, als die Arbeiter im ganzen Jahr verdienen) von den Arbeitern gewonnen wird, ansonsten werden sicher viele größere Unternehmen in Zukunft ihre Angestellten einfach aushungern lassen. Am Samstag sind Jenny und ich dann zu einer Kundgebung nach Palmerston North gefahren. Politische Parteien haben dort weitere Unterstützung zugesagt, die Gewerkschaft der Hafenarbeiter hat angekündigt, Warenlieferungen an Progressive nicht mehr abzuladen, die Krankenschwesterngewerkschaft “adoptierte” gleich eine ganze Familie die finanzielle oder materielle Unterstützung braucht und viele andere haben weitere Geldspenden zugesagt. Leider wird der Sachverhalt in der Presse immer noch falsch dargestellt. Weite Teile der neuseeländischen Bevölkerung denken, dass die Arbeiter streiken und auch während der Kundgebung am Samstag wurden sie manchmal (wenn auch zum Glück selten) beschimpft, sie sollen doch einfach wieder arbeiten gehen. Wollen sie ja, der Arbeitgeber lässt sie nur nicht. Heute ist Tag 17 der Aussperrung, in der nächsten Woche geht es nochmal zur Mediation. Ich bin sehr gespannt, ob sich Gewerkschaften und Progressive dort einig werden…
Hallo Diane,
na dieser Beitrag beantwortet ja so ziemlich all meine Fragen die ich dir bald zum Thema Streik und Ausschluss gestellt haette – habe naemlich die ganzen Zusammenhaenge (als nicht Gewerkschafter) nicht wirklich verstanden.
Was ich nun allerdings nicht mehr weiss, ist, wo ich zukuenftig einkaufen soll. Foodstuffs – Unternehmen (New World, Pack’n’Save, Four Square) mag ich nicht mehr so sehr aus eigener Erfahrung und Progressive ist demzufolge auch keine bisschen besser …
Liebe Gruesse,
Christian
Comments on this entry are closed.