Gallensteine

Jetzt sind wir seit drei Monaten hier und bis gestern kannte ich aus der Rubrik “Neuseeländisches Gesundheitssystem” nur das Kapitel “Afterhour Medical Centre”.

Man erinnere sich: erst waren es die Windpocken, dann habe ich mir die Daumenkuppe beim Käseschneiden fast weggehobelt. Da das alles schon ein paar Wochen zurück liegt, dachte sich mein Körper wohl, dass es an der Zeit wäre, tiefgreifendere Erfahrungen zu machen und schickte mir höllische Schmerzen im rechten Oberbauch.

Sie fingen in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch an und nahmen auch am Mittwoch im Laufe des Morgens kein Ende. Gegen 11 Uhr konnte und wollte ich das nicht mehr aushalten und fuhr zum Karori Medical Centre, wo die Ärzte der Umgebung angesiedelt sind. Meiner Meinung nach war es dort nicht mal richtig voll, aber ich wurde trotzdem weggeschickt und zu einem späteren Termin wiederbestellt. Als ich wieder kam traf ich auf eine sehr nette Ärztin mit unaussprechlichen Namen, die mir für 58 Dollar eine viertel Stunde lang auf dem Bauch herum gedrückt und mich abgehorcht hat. Ihre Diagnose: entweder Magenverstimmung oder Gallensteine, ich soll doch bitte am nächsten Tag zur Blutuntersuchung wieder kommen und mir einen Termin beim Ultraschall geben lassen.

Da ich ja aber am Freitag auf alle Fälle nach Rotorua möchte/muss, wollte ich mir erstmal ein paar Gedanken machen wie es denn weiter gehen soll und bin erstmal arbeiten gegangen. Da ging es zwischenzeitlich sogar mit den Schmerzen. Sie kamen immer in Intervallen aber während ich mit den Kinder beschäftig war, fiel es mir leicht sie zu ignorieren. Später dann zu Hause, als ich früh im Bett lag und mich voll und ganz auf mein Leid konzentrieren konnte, wurde es aber wesentlich schlimmer, so dass wir uns irgendwann auf den Weg zum Emergency Zentrum gemacht haben. Da die aber kein Ultraschallgerät haben, wurden wir gleich weiter zum Hospital geschickt.

Nach dem Kampf mit der Rezeptionistin (“Ja, wir sind Residents, keine Touristen!”) und einer kleinen Wartezeit, kam ich dann in den Untersuchungsraum. Eine freundliche Schwester und ein Schwesternschülerin haben mich gepflegt und umsorgt und irgendwann kam auch mal ein Arzt, der ebenfalls wieder auf mir rumgedrückt und beschlossen hat, dass das wohl Gallensteine sein müssen. Allerdings wäre nachts kein Radiologe anwesend, so dass kein Ultraschall möglich wäre. Wie bitte? Ultraschall und Röntgen nur bis 16.30 Uhr???

Ich muss zugeben, dass hat mich schon ein bisschen geschockt. Ich habe dann sein Angebot, doch über Nacht im Krankenhaus zu bleiben, danken abgelehnt. Denn meine Mama hat mir zwei Kluge Ratschläge mit auf den Weg gegeben:

1. bleibe nie länger im Krankenhaus als nötig
2. lass nie einen Arzt Blut abnehmen, Schwestern können das IMMER besser.

Da ich den letztgenannten schon nicht befolgen konnte und bitter leiden musste (mir hat noch NIE jemand soooo schlecht und schmerzhaft Blut abgenommen wie dieser Knilch, und ich habe schon oft Blut abgeben müssen oder gespendet), wollte ich wenigstens Rat Nr. 1 befolgen und nachdem klar war, dass meine Blut- und Urinwerte bestens sind und die Wahrscheinlichkeit, dass ich über Nacht plötzlich sterbe sehr gering ist, ließ man mich wieder gehen. Natürlich mit der festen Überzeugung, dass ich Gallensteine habe und das nur noch heute per Ultraschall bestätigt werden muss.

Das Thema Ultraschall wurde dann auch tatsächlich nochmal spannend – Punkt acht Uhr in der Früh habe ich angefangen, Radiologie-Praxen anzurufen und umh einem Termin zu betteln. Die erste bot mir 15.30 an, allerdings unter dem Gesichtspunkt, dass die Diagnose dann erst morgen feststehen würde. Da ich bei den anderen erst frühestens Montagmorgen dran gekommen wäre, habe ich den Termin dann angenommen und bin erstmal im Bett geblieben. Kai ist früher heim gekommen und wir sind zusammen zum Ultraschall gefahren. Und dabei stellte sich heraus, dass es in mir total gut aussieht. Nieren, Blase, Bauchspeicheldrüse, Milz, Gallenblase…. alles in Ordnung.

Gallenblase? Moment, sollten da nicht Steine drin sein??? Tja, waren aber nicht. Das ist zwar noch nicht die endgültige Diagnose, da nochmal ein Arzt über die Bilder drüber schauen muss, aber die Ultraschalllady hat nichts feststellen konnte. Mein Eindruck war schon, dass sie viel Ahnung hatte, sie konnte sogar die Marke meiner Spirale erkennen. Die sitzt übrigens auch noch gut (als kleiner Hinweis für Iris ;)).

Was sagt mir das Ganze jetzt? Die Ultraschalldame meint, dass ich vielleicht einen kleinen Gallenstein hatte, der zunächst den Ausgang verstopft hat und dann durch die Verkrampfungen hinaus geschossen wurde und er auf natürlichem Wege ausgeschieden wurde. Die Schmerzen sind wesentlich besser, im Moment spüre ich zwar immer noch ein dumpfes Klopfen, aber es ist nicht mehr so, dass ich mich vor Schmerz krümme. Trotzdem werde ich mal in nächster Zeit besser auf meine Ernährung achten (dabei mache ich das ja eigentlich schon, bis auf ein paar kleine Ausnahmen, zu denen ich Pommes oder Pizza esse – aber das muss doch erlaubt sein, oder?). Ansonsten haben wir festgestellt, dass eine Krankheit hier echt arm machen kann:

$ 58 Arztbesuch
$ 15 Medikament
$ 0 Krankenhaus (kostenlos für Residents)
$ 47 Schmerzmittel
$ 200 Ultraschall

Macht insgeamt 320 Dollar um festzustellen, dass ich eigentlich gar nichts habe. Zum Glück sind wir privat versichert, so dass wir das meiste erstmal wieder bekommen, aber wer auf das gesetzliche System angewiesen, der muss nach solch einer Aktion wohl erstmal einen Verbraucherkredit aufnehmen. Klingt meiner Meinung nach sehr verkehrt.

Ansonsten habe ich viele neue Begriffe gelernt. Von Stuhlgang über Milz bis hin zur Schilddrüsenunterfunktion bin ich jetzt medizinisch auf dem Laufenden. Kann sich ja vielleicht auch mal als ganz hilfreich herausstellen…

Zum Glück kann ich morgen nach Rotorua fliegen. Zwar nicht so gut vorbereitet, wie ich das gern getan hätte, aber immerhin muss ich den Flug nicht absagen. Ist ja auch schon mal was…